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Tuesday, September 11, 2012

Buchrezension: Christian Felber - 50 Vorschläge für eine gerechtere Welt

Disclaimer: This is a review of Christian Felber's 50 Vorschläge für eine gerechtere Welt. As far as I know, this book is only available in German, which is why I'll also write the review in German. Sorry to my English-speaking fellows.


Source: christian-felber.at


Wie schon der Klappentext von "50 Vorschläge für eine gerechtere Welt" nahelegt, wird in diesem Buch keine wissenschaftliche Analyse von Einkommensgerechtigkeit, Entwicklungshilfe, Staatsverschuldung und die Rolle von TNCs (Transnational Corporations) im globalen Wirtschaftsleben vorgenommen, sondern Christian Felber's subjektive Auffassung der Welt dargestellt. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis ("Zinsen runter!", "Börsen auf euren Platz!", "Zähmung von Konzernen") spricht eine ebenso klare Sprache.

Weiters - und auch das muss man ihm zugute halten - erwartet er nicht,  dass sämtliche seiner 50 Vorschläge auf Zustimmung stoßen, sondern "... wichtig ist, dass das Nachdenken über Alternativen angeregt wird".

Die Erwartungen des Lesers von Vornherein derart zu kanalisieren zeugt von Authentizität, spricht mich an und veranlasst mich, auf den kommenden 330 Seiten stets wachsam vor blinder Zustimmung und kritisch zu sein.

Keine Frage, Christian Felber wählt seine Worte mit Bedacht und ist sehr geschickt darin, passende Zahlen und Statistiken seinem Standpunkt gemäß zu zitieren. Eine große Bandbreite von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen wird angesprochen - globale und nationale Steuern, die Rolle von Weltbank, IMF und WTO in einer globalisierten Wirtschaftswelt, Umweltverschmutzung, Mindestlohn und Grundeinkommen, Patente, Agrarwirtschaft, nachhaltige Entwicklung, ...
Leider ist mein Wissensstand in vielen von diesen Themen auf Binsenweisheiten beschränkt, sodass es mir schwer fällt, mir über den Wahrheitsgehalt der angegeben Hypothesen und die Sinnhaftigkeit der vorgeschlagenen Lösungen ein Urteil zu bilden.

Über mindestens zwei der Vorschläge meine ich aber, ein gewisses Verständnis zu haben. Diese beiden Vorschläge veranlassen mich zu Kritik nicht nur den Inhalt betreffend, sondern auch die Herangehensweise.

Vorschlag (1) Ein neues Bretton Woods
Um spekulativen Attacken auf Währungen Einhalt zu gebieten und Währungsstabilität zu gewährleisten, schlägt Felber ein System "fixer Wechselkurse" auf globaler Ebene vor, für das der Euro eine gute Vorstufe darstellen würde.
Er räumt zwar kurz ein, dass damit sämtliche Staaten ein äußerst wichtiges Instrument der Finanzpolitik aus der Hand geben würden, relativiert dies aber sogleich wieder, indem er sogar noch einen Schritt weiter geht und weltweit besser koordinierte oder sogar zentralisierte Wirtschaftspolitik fordert - die offenbar nicht einmal im Euroraum möglich noch von den EU-Bürgern gewünscht ist!

Denjenigen Lesern, die nicht zufällig Finanzpolitik studiert haben, eine Lösung derart in den Mund zu legen, ohne zumindest ausreichend auf die Risiken und Nebenwirkungen hinzuweisen, steht meiner Auffassung nach der von Felber selbst geforderten Transparenz, Toleranz und Offenheit diametral gegenüber.

Vorschlag (19) Globale einheitliche Konzernbesteuerung
Felber fordert hier global einheitliche Steuersätze für Konzerne und kritisiert Steuerflucht in Steueroasen.
Auf Seite 146 schreibt er: "Eine effektive Sofortmaßnahme gegen Steuerflucht wäre die Erhöhung der Zahl der BetriebsprüferInnen ... In Österreich ist die Zahl der BetriebsprüferInnen zwischen 2000 und 2004 um 13 Prozent auf 1554 gesunken ... Hinter dem Personalabbau kann nur das ideologische Motiv des Rückzugs des Staates stecken."

Auch hier wird nur eine Alternative - die freie Interpretation der Tatsachen durch Felber - dargestellt und als einzige Möglichkeit präsentiert. Kann es nicht auch sein, dass durch technologische Errungenschaften, verbesserte Computersysteme, bessere automatisierte Prüfungen, mehr Effizienz, ... der Personalabbau möglich wurde?

Wiederum zwingt Felber seinen Rückschluss auf, und lässt dem Leser keinen Spielraum, sich ein eigenes Bild des dargestellten Sachverhaltes zu bilden.

Natürlich ist es ein bisschen unfair von mir, aus über 300 Seiten, teilweise sicher gut durchdachten und recherchierten Materials, zwei Absätze herauszusuchen und auf diesen herumzuhacken. Jedoch, wenn sich mir derartige Fragen stellen, bei den beiden Sachgebieten, von denen ich meine etwas zu verstehen - wie mag es sich wohl mit den anderen verhalten, bei denen ich über weniger Vorwissen verfüge?

Für ebenfalls etwas unglücklich halte ich die inflationäre Verwendung des Wortes "Demokratie", die Felber vor, hinter, und neben alles stellt. Tatsachen sind in dieser dichotomen Darstellung entweder strikt demokratisch (= unbedingt gut und positiv) oder undemokratisch (= unbedingt böse, schlecht, negativ).

Auch wenn Felber Sprecher von Attac Österreich ist, macht ihn das nicht automatisch zum Sprachrohr der "globalen Zivilgesellschaft", die wohl mehrere Ausprägungen, Dimensionen und Strömungen hat. Ein Beispiel dazu (S. 187): " ... genau das wäre aber das Prinzip der 'Ernährungssouveränität', das von den sozialen Bewegungen des Südens und der globalen Zivilgesellschaft eingefordert wird."

Aller Kritik zum Trotz muss ich Felber ein großes Lob aussprechen. Es ist ihm gelungen, sein selbsternanntes Ziel zu erreichen - mich zum Nachdenken anzuregen. Vieles war mir komplett neu und werde ich künftig in einem anderen Licht betrachten und hinterfragen.
Einem Jeden, der offen für alternative Gedanken über Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt, und bereit ist, diesen mit einer gesunden Portion Skepsis und kritischem Denken zu begegnen, sei dieses Werk ans Herz gelegt.

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